Wenn sich ein Paar das Jawort gibt, begeben sich die frisch Vermählten
danach meist auf ihre Hochzeitsreise. An diese Tradition hielten sich
auch Ulrike und Christian, die mir ihre beiden Wellensittiche Elli und Toni zur Pflege
überließen, um in Ruhe ihre Flitterwochen im hohen Norden genießen zu
können. Die kleine Elli (siehe Foto oben rechts) lebte einst unter übelsten Bedingungen,
aus denen Ulrike das arme Vogelmädchen befreit hatte. Vermutlich durch
den Stress während der schlechten Zeit - Elli fristete ihr
Dasein unter anderem in einem Badezimmer! - wurde die Kleine sehr krank,
sie leidet am sogenannten EMA-Syndrom. Diese Krankheit tritt
nicht nur bei Wellensittichen, sondern auch bei Unzertrennlichen auf
und ist bedauerlicherweise nicht heilbar. Es bilden sich Ekzeme an den Flügeln,
in der Bürzelgegend und an den Beinen. Den Tieren fallen die Federn aus und die Haut
entzündet sich, bildet nässende, juckende Krusten und die Vögel picken
sich oft aus lauter Verzweiflung selbst blutig. Leider tat auch Elli dies gelegentlich.
Da sie seit dem Ausbruch der Krankheit kaum noch Federn am linken
Flügel hat, war sie flugunfähig, als Ulrike sie bei sich aufnahm. Damit Elli nicht so schrecklich allein
in ihrem Käfig hocken musste, ging Ulrike zu einem Wellensittichzüchter,
bei dem sie ein Männchen kaufte, das durch die Rennerkrankheit
angeblich ebenfalls flugunfähig sein sollte. So kam es, dass Toni bei
Ulrike einzog (siehe Foto links). Nach einer Weile wuchsen Toni jedoch vollkommen intakte
Schwungfedern, dieser Sittich war gar also nicht flugunfähig. Alles war ein
Irrtum und der Vogel lernte schnell, hervorragend zu fliegen.
Anfang Juli 2001 traten Ulrike und Christian ihre Hochzeitsreise
an, während ihre Vögel sich zu meinem Sittichschwarm gesellten.
Toni hatte die Wellensittich-Pubertät hinter sich und die
Wachshaut begann sich auszufärben, nachdem Ulrike und ihr
Mann gerade ein paar Tage unterwegs waren. Toni, der eigentlich gehandicapt
sein sollte und dennoch perfekt fliegen konnte, hielt eine weitere Überraschung
bereit: Die Nase färbte sich braun, der angebliche Herr war schon immer eine Dame!
Nun denn, diese Nachricht würde Ulrike und Christian sicher
überraschen, dachte ich mir. Zu der Zeit ahnte ich noch nicht, wie
turbulent es bald darauf im Vogelzimmer zugehen würde. Schon kurz nach
ihrer Ankunft hatte Elli damit begonnen, zarte Bande mit Kiki
(siehe Foto rechts) zu knüpfen,
der seit über einem Jahr mit Rana verpaart war. Schnell war seine
alte Liebe vergessen, er verliebte sich Hals über Kopf in die
kleine Elli, die wie er selbst flugunfähig war. Laut ihrer Besitzerin soll
Elli verschlossen und einzelgängerisch sein, was ich angesichts des
zärtlichen Turtelns des frisch verliebten Vogelpaares nicht
bestätigen konnte. Mir wurde ganz anders, wenn ich daran dachte, dieses
glückliche Paar in einigen Wochen wieder trennen zu müssen.
Hätte ich gewusst, dass alles überraschend anders kommen würde,
hätte ich mir viel weniger Sorgen gemacht.
Nicht nur Elli erlebte die große Liebe während ihres
Urlaubs in meinem Sittichschwarm. Keine drei Tage hat es gedauert, da
waren Feriengast Toni und mein Herkules (siehe Foto links) ein harmonisches, permanent
schmusendes Paar. Abends wollten sie auf derselben Schaukel sitzen, um
sich auch nachts aneinander kuscheln zu können, tagsüber wich der eine
nicht von der Seite des anderen, und Herkules fütterte seine Angebetete
bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Auch zwischen Kiki und Elli wurden
die Bande derweil immer enger. Nur selten sah man die beiden betagten
Sittiche nicht dicht beieinander.
Je näher der Zeitpunkt der Rückkehr der Besitzer von Elli
und Toni rückte, desto mehr reifte in mir ein Entschluss: Vielleicht
sollte man gemeinsam darüber nachdenken, jeweils einen der Vögel
auszutauschen, damit die glücklichen Paare nicht getrennt würden.
Als Ulrike und Christian aus den Flitterwochen zurückgekehrt waren,
schlugen sie mir überraschenderweise dasselbe vor, was ich mir zuvor überlegt hatte.
Am 10. August war es so weit: Herkules zog zusammen mit seiner
Freundin Toni bei Ulrike und ihrem Mann ein, während Elli hier bei mir und natürlich
bei ihrem Liebsten Kiki blieb. Die Tiere scheinen einander gesucht
und gefunden zu haben, weshalb Ulrike und ich uns schweren Herzens
von einem unserer Vögel trennten, um die Sittiche dadurch auf Dauer
mit ihrem geliebten Partner beglücken zu können. Eine
Entscheidung, die ich nicht bereue, wenn ich Elli und Kiki zärtlich
schmusen sehe.
11. August 2001
Nachtrag: Leider war es der tapferen Elli nicht vergönnt, lange
mit ihrem Liebsten Kiki zusammenzuleben. Am 20. August 2001, also nur
zehn Tage nach der offiziellen "Adoption", erlag sie ihrer
schweren Krankheit.
|