Achtung: Das Lesen dieses Birds-Online-Kapitels sollte niemals den Gang
zum Tierarzt ersetzen!
Mitunter leiden Vögel an Durchfallerkrankungen (Diarrhoe),
für die unterschiedliche Ursachen in Frage kommen können.
Oft stecken Ernährungsfehler hinter diesen
Durchfällen. Wenn ein Vogel für ihn unverträgliche
Nahrungsmittel beispielsweise vom Teller des Halters
nascht,
kann dies sein Verdauungssystem schädigen. Je nachdem, wie schwer
die Schädigung des Verdauungstraktes im Einzelfall ist, kann
der durch einen Ernährungsfehler verursachte Durchfall recht
hartnäckig sein. Eine Behandlung durch einen Tierarzt ist dann dringend
erforderlich.
Aber auch Infektionen, zum Beispiel mit Bakterien, Pilzen oder Parasiten, können für das Auftreten von
Durchfällen bei Vögeln verantwortlich sein.
Ist das Immunsystem geschwächt oder hat ein Vogel
starken Stress hinter sich - das kann zum Beispiel ein Umgebungswechsel
sein -, können sich krank machende Keime in seinem Darm
ansiedeln. Oft handelt es sich hierbei um normale Umgebungskeime, die ständig im Umfeld der Vögel vorhanden sind und sie unter normalen Umständen, also mit einem effizient arbeitenden Immunsystem, nicht erkranken lassen würden.
Typische Bakterien aus der normalen Umgebung sind beispielsweise E. coli (Escherichia coli). Aber auch Pilze wie Candida oder Parasiten wie Trichomonaden können zu Durchfällen führen. Bei Wellensittichen und anderen Ziervögeln kommt es zudem vergleichsweise häufig zu Infektionen mit sogenannten Kokken, darunter Enterokokken, Staphylokokken und Streptokokken.
Diese Erreger sind kugelförmige Bakterien.
Vermutet man, dass ein Vogel an einer Infektion dieser Art leiden
könnte, sollte das Tier schnellstmöglich zu einem fachkundigen Arzt gebracht
werden, damit eine sichere Diagnose gestellt werden kann. Das bedeutet, der Tierarzt muss herausfinden, welcher Krankheitserreger die Symptome verursacht. Um ein passendes
Medikament herauszufinden, gegen das die Erreger nicht immun sind, muss oft ein sogenanntes Antibiogramm aus einem Abstrich oder einer Kotprobe gewonnen werden.
Was für einen Tiermediziner bei der Untersuchung wichtig ist, erfahren
Sie weiter unten im Experten-Tipp der Vogel-Tierärztin Dr. Martina
Schmoock.
Durchfälle können bei Vögeln nicht nur sehr nass, sondern sogar mit Blut
durchsetzt sein. Blutige Durchfälle sind typisch bei Vergiftungen
und hierbei ist sofortiges Handeln geboten, denn wenn nicht möglichst
schnell ein Tierarzt eingreift, ist der betroffene Vogel meist nicht
mehr zu retten. Auch bei Darmtumoren oder einer Reihe weiterer innerer
Erkrankungen kann es zu blutigen Durchfällen kommen.
Durchfall sicher erkennen
Setzt ein Vogel flüssige Kotballen ab, so leidet er
deshalb nicht zwangsläufig an einer Durchfallerkrankung. Die meisten
Vogelhalter verwechseln flüssige Häufchen mit echtem Durchfall, weil
ihnen nicht bewusst ist, dass Vögel wie Wellensittiche ihren Urin zusammen mit dem
Kot absetzen. Normalerweise ist der Urin von cremiger Konsistenz und weißlich
gefärbt. Der dunkle Kotanteil umgibt diese Urinausscheidungen. Unter normalen Umständen ist beides fest,
geruchsneutral und trocknet innerhalb kurzer Zeit, siehe Foto in diesem Absatz.
Nimmt ein Vogel durch
vermehrtes Trinken oder das Fressen von Frischkost viel Flüssigkeit
zu sich, so ist es wie bei uns Menschen: die
anfallende Urinmenge steigt. Mehr Urin im Kotbällchen
bedeutet mehr Flüssigkeit, die ausgeschieden
worden ist. Das Häufchen erscheint deshalb insgesamt zu nass und es
kann bei flüchtigem Hinsehen leicht der Eindruck entstehen, der
Vogel habe Durchfall (siehe auch das Kapitel
"Durchfall
durch Frischkost?").
Bei zu nassen Kothäufchen ist der eigentliche Kotanteil fest,
der weiße Urinanteil jedoch sehr flüssig und milchig oder mitunter sogar
ganz klar, siehe Foto
rechts. Es besteht kein Grund zur Besorgnis, falls der Vogel
zuvor frisches Obst oder Gemüse geschlemmt oder zum Beispiel
beim Baden viel getrunken hat. Ist der Urin jedoch ohne
ersichtlichen Grund über längere Zeit stark verflüssigt,
und macht der Vogel einen geschwächten Eindruck, leidet er
möglicherweise an einer
Niereninfektion,
was oft auch am starken Uringeruch zu erkennen ist.
Echten Durchfall erkennen Sie daran, dass das gesamte Kotbällchen
zerfließt, siehe Abbildung rechts. Insbesondere der
normalerweise feste Kotanteil ist in den Ausscheidungen von an
Durchfall erkrankten Vögeln breiig und mitunter klebrig oder
gar zähflüssig. Das Gefieder rund um die Kloake des Vogels
weist fast in jedem Fall Spuren dieses breiigen Kots auf und ist
entsprechend verklebt. Hinzu kommt, dass Durchfall meist nicht
geruchsneutral ist, sondern muffig, fischig oder stechend riecht.
Durchfall behandeln
Um Durchfall gezielt behandeln zu können, muss zunächst einmal genau
abgeklärt werden, welche Ursache der Erkrankung im individuellen Fall zugrunde liegt.
Es ist daher unumgänglich, den betroffenen Vogel so schnell wie
möglich einem Tierarzt vorzustellen. Da Durchfallerkrankungen
bei Ziervögeln rasch zu massiven Schwächezuständen führen, sollte man mit dem
Tierarztbesuch nicht lange warten.
Nachdem der Tierarzt eine sichere Diagnose gestellt hat - gegebenenfalls
ist hierfür wie bereits weiter oben erwähnt eine Untersuchung einer Kotprobe oder eines Abstrichs vonnöten -,
wird er die Therapie festlegen, also das zu verabreichende Medikament
und gegebenenfalls eine spezielle Ernährungsumstellung. Es ist
wichtig, sich genau an die Vorgaben des Tierarztes zu halten, damit
der Vogel wieder gesund wird. Eigenmächtige Therapieänderungen oder
in vorzeitiges Beenden der Medikamentengabe können zu schweren
Rückfällen führen!
In
einigen Online-Foren sowie in manchen Fachbüchern wird das Verabreichen von
Vogelkohle nach wie vor als Erste-Hilfe-Maßnahme
bei Durchfall empfohlen. Hiervon raten jedoch immer mehr vogelkundige
Tierärzte ab, und das aus zweierlei Gründen;
Die Kohle absorbiert die überschüssige Flüssigkeit und
lässt den Kot wieder normal erscheinen. Damit sind zwar die Symptome
vorerst beseitigt, aber die Ursache ist nach wie vor unerkannt,
denn gegen die Krankheitserreger wirkt Vogelkohle nicht! Deshalb
sollten Sie den Gang zum Tierarzt niemals durch eine ausschließliche
Behandlung mit Vogelkohle ersetzen.
Hinzu kommt erschwerend, dass
Vogelkohle nicht nur die Flüssigkeit, sondern auch die im Nahrungsbrei enthaltenen Nährstoffe bindet.
Aus diesem Grunde sollte man anstelle der Vogelkohle lieber handelsübliche
sehr fein gemahlene
Heilerde, z. B. von Luvos, reichen, wenn man
als Erste-Hilfe-Maßnahme ein flüssigkeitsabsorbierendes Mittel einsetzen
möchte. Die Heilerde nimmt nur die überschüssige Flüssigkeit auf, nicht
jedoch die Nährstoffe. Trotz alledem sollte man schnellstmöglich
die Ursache für den Durchfall aufdecken und diese bekämpfen.
Was bei Durchfallerkrankungen
hinsichtlich der Ernährung der Vögel zu beachten
ist, erfahren Sie hier.
Reinigen der Kloakengegend
Manche Vögel, die unter Durchfall leiden, weisen dadurch ein mehr oder minder stark verklebtes Gefieder in der Kloakengegend auf. Es kann sogar geschehen, dass sich dicke Kotschichten bilden, die eintrocknen und dann zu einem Kloakenverschluss (Verstopfung) führen. Nicht nur aus
hygienischen Gründen sollte der Halter deshalb die verklebte Kloake reinigen. Zum Lösen des eingetrockneten Kots empfiehlt sich warmes Wasser (zwischen 35 und 40°C). In dieses wird ein Wattebausch getaucht, mit dem dann die Kotkruste für einige Zeit berührt wird. Hierdurch weicht der Kot auf. Nach und nach wird er dann vorsichtig mit einem Wattestäbchen und weiteren feuchten Wattebäuschchen
entfernt. Das Foto unten zeigt eine solche Kotkruste, die zu einer Verstopfung der Kloake geführt hat. Wer einem hiervon betroffenen Vogel nicht hilft, riskiert dessen Tod, weil das Absetzen von Kot nicht mehr möglich ist.
Ähnliche Krankheiten
Wie bereits in diesem Kapitel erwähnt, wird das vermehrte Ausscheiden von Urin, das bei Nierenerkrankungen auftritt, oft mit echtem Durchfall verwechselt.
Echter schwerer Durchfall kann durch einen Befall mit Parasiten, den sogenannten Giardien, hervorgerufen werden. Infolge einer Reihe weiterer Erkrankungen kann es zu Schwellungen des Unterbauches kommen, die folglich nicht immer ein Symptom einer entzündungsbedingten Durchfallerkrankung sind. Beispiele hierfür sind Darmparasitenbefall (Spulwürmer) und daraus resultierende Verstopfung oder mitunter auch Durchfälle, Tumorbildung im Bauchraum, ein Bauchdeckenbruch (Hernie) oder eine sogenannte Bauchwassersucht (Aszites) sowie bei weiblichen Vögeln eine Legedarmentzündung. Darüber hinaus kommen weitere mögliche Ursachen in Betracht. Sie alle aufzuzählen, würde an dieser Stelle den Rahmen sprengen. Nur ein erfahrener Tierarzt kann eine sichere Diagnose stellen. Im Fall einer Schwellung des Bauches ist immer Eile geboten, weil der betroffene Vogel meist unter starken Schmerzen leidet.
Das rät die Vogel-Tierärztin Dr. Martina Schmoock
Zeigt
ein Vogel einmalig dünnen Kot oder einmaliges
Erbrechen, so muss dies kein
Anzeichen einer schweren Erkrankung sein. Beobachten Sie jedoch
mehrfaches Erbrechen mit schleimig verschmiertem Kopfgefieder sowie weichen
oder wässrigen Kotabsatz mit verklebter Kloake, so sollten Sie dringen einen
vogelkundigen Tierarzt aufsuchen.
Denken Sie generell daran Kot zur
Untersuchung mitzubringen. Dieser sollte in jedem Fall recht frisch und frei
von Sand oder Einstreu sein. Legen Sie eine Plastikfolie, einen
Gefrierbeutel oder eine Zeitung auf den Käfigboden. Hiervon kann der
Tierarzt die Proben für die Untersuchung meist gut abnehmen.
Erbricht
der Vogel, sollte man in jedem Fall einmal schauen, ob er gegebenenfalls
eine Pflanze oder etwas anderes im Raum benagt hat. Machen Sie hiervon ein
Foto oder nehmen Sie es mit zum Tierarzt. So können
Vergiftungen
erkannt oder ausgeschlossen werden.
Dr. Martina Schmoock im Internet:
Martinasvogelperspektive.de
|
|