Achtung: Das Lesen dieses Birds-Online-Kapitels sollte niemals den Gang
zum Tierarzt ersetzen!
Bei Vögeln können Erkrankungen auftreten, die mit ähnlichen Symptomen einhergehen, wie sie durch Schlaganfälle beim Menschen ausgelöst werden. Echte Schlaganfälle sind bei Vögeln bislang nicht nachgewiesen worden. Doch es gibt anfallartige Krankheiten, die ein schnelles Eingreifen des Menschen erforderlich machen, auch wenn die eigentlichen Ursachen sich von denen echter Schlaganfälle beim Menschen unterscheiden. Trotz der Tatsache, dass Schlaganfälle bei Vögeln vermutlich nicht vorkommen, sprechen viele Tierärzte in Verbindung mit bestimmten Erkrankungen von einem Apoplex (Schlaganfall). Meist sind von einer solchen schlaganfall-ähnlichen Erkrankung vor allem alte Wellensittiche, Nymphensittiche oder
Unzertrennliche (Agaporniden) betroffen. Sehr selten erleiden junge
Individuen der genannten Vogelarten einen Schlaganfall.
Was ist ein Schlaganfall beim Menschen?
Grob vereinfacht ausgedrückt, lösen bei Menschen winzige Blutungen beziehungsweise Gerinnsel, die sich im Gehirn festsetzen, einen Schlaganfall aus. Je nachdem, welches Areal
des Gehirns eines Patienten betroffen ist, wirkt sich der
Hirnschlag unterschiedlich auf ihn aus. Da ein solches Gerinnsel
die Durchblutung des umliegenden Bereichs vermindert oder
komplett unmöglich macht, erleidet die betroffene Hirnregion
einen Mangel an Sauerstoff, was nicht selten zum sofortigen Tod der
Zellen führt. Schwere motorische Störungen bis hin zu
Lähmungen
sind die Folge eines solchen Sauerstoffmangels des Gewebes.
Symptome einer schlaganfall-ähnlichen Erkrankung beim Vogel
Oft geschieht es nachts, wenn der Vogel ruhig
und entspannt ist. Ohne jede Vorwarnung kommt es zu starken körperlichen Ausfallerscheinungen, sodass der betroffene
Vogel erschrickt und laut schreiend von der Stange fällt.
Häufigste Folgen eines solchen Anfalls sind halbseitige Lähmung, was darauf schließen lässt, dass eine Gehirnhälfte stärker von der eigentlichen Ursache der Erkrankung betroffen ist. Auch eine Erblindung kann infolge einer schlaganfall-ähnlichen Erkrankung entstehen. Ist ein Bein durch gelähmt, so sind die Zehen zu einer kleinen Faust oder in der sogenannten "Kusshandstellung" (alle Zehen liegen aufeinander) fest verkrampft und gelähmt. Der erkrankte Vogel
liegt unmittelbar nach dem Anfall am Boden und ist vollkommen
orientierungslos oder apathisch. Manche Tiere geraten hingegen regelrecht
in Panik, weil sie nicht mehr richtig sehen können. Nur mit
Mühe kann man als Vogelhalter sein Tier in einer solchen
Situation beruhigen.
In den ersten Tagen nach dem plötzlichen Einsetzen der Symptome leiden viele der betroffenen Tiere
an mangelndem Appetit, sodass die Vögel in
dieser Zeit zu verhungern drohen.
Erstellung einer sicheren Diagnose
Sollten Sie den Verdacht hegen, dass Ihr Vogel an einer schlanganfall-ähnlichen Krankheit leidet, so müssen Sie ihn schnellstmöglich einem fachkundigen Tierarzt vorstellen. Wichtig ist, dass der Arzt herausfindet, was genau zu den schwerwiegenden Symptomen führt. Hinter den schlaganfall-ähnlichen Erkrankungen können allerlei verschiedene Ursachen stecken, darunter Flüssigkeitsansammlungen im Gehirn (Hirnödeme), Hirnblutungen nach Kollisionsunfällen oder schwere Leberschäden. Es ist in jedem Fall absolute Eile geboten, weil eine rasche Behandlung des Vogels dazu führen
kann, dass er seine motorischen Fähigkeiten ganz oder zu weiten
Teilen wieder erlangen wird.
Therapie nach dem Einsetzen der Erkranung
Viele Ärzte behandeln Wellensittiche und andere Ziervögel
nach dem Auftreten einer schlaganfall-ähnlichen Erkrankung mit Kortison, Cerebrum compositum (Heel, homöopathisches
Präparat), mit einem hoch dosierten Vitamin-B-Komplex oder einer
Kombination aus diesen Medikamenten. Auch kann es sein, dass eine Leberschutztherapie eingeleitet werden muss. Der Vogel muss während der Behandlung gerade in der Anfangszeit möglichst viel Ruhe haben.
Je nachdem, wie gut die Therapie anschlägt, ist der erkrankte Vogel nach wenigen Tagen über den Berg. Wird die Behandlung über Wochen fortgesetzt und zeigen die Medikamente
keinerlei Wirkung, ist dem Tier
vermutlich leider nicht mehr zu helfen. In diesem Fall sollten Sie
darüber nachdenken, Ihren Vogel durch einen Tierarzt von seinen
Qualen erlösen zu lassen, auch wenn das
Einschläfern
für Sie persönlich eine schreckliche Erfahrung ist. Wer
sein Tier wirklich liebt, sollte im entscheidenden Moment dazu bereit
sein, es gehen zu lassen, sofern es nur noch leidet und keine Chancen auf eine Heilung bestehen.
Unterbringung der Patienten in der Akutphase
Da Vögel in den ersten Tagen nach dem Eintreten schlaganfall-ähnlicher Symptime unter starken
Störungen Ihres Gleichgewichtssinns sowie unter Umständen an
Lähmungen leiden, sollte man Schaukeln aus dem
Krankenkäfig
entfernen; dasselbe gilt für Spielzeuge. Auch wackelige Sitzstangen sind für einen solchen Patienten keine geeignete Käfigeinrichtung. Bringen Sie fest sitzende,
glatte Stangen, an denen sich keine "Stolperfallen" befinden,
möglichst niedrig im Käfig an.
Sehr wahrscheinlich wird sich ein erkrankter Vogel in den ersten Tagen
ohnehin nicht auf den Sitzstangen aufhalten können, da er zu
starke Gleichgewichtsstörungen oder Lähmungen erleidet.
Deshalb ist es wichtig, den Boden des Krankenkäfigs zu polstern.
Als untere Schicht empfiehlt sich ein mehrfach gefaltetes Handtuch.
Darüber folgt eine Schicht aus zwei bis drei Küchenhandtüchern,
die aus glattem Leinen bestehen sollten. Die obere Schicht bildet eine
Lage Küchenkrepp, die man alle paar Stunden oder aber mindestens
einmal am Tag austauschen sollte, damit der Vogel nicht in seinen eigenen
Kotballen liegen muss. In der Abbildung in diesem Abschnitt ist eine solche
Polsterung zu sehen. Bauen Sie einen Wulst ein, gegen den sich der Vogel lehnen kann, wenn er sein Gleichgewicht nicht richtig halten kann.
Achtung: In einem Krankenkäfig für Patienten mit schweren Orientierungs- und Bewegungsstörungen darf nur ein kleiner Trinknapf zum
Einhängen ins Gitter (siehe Abbildung etwas weiter oben) angebracht
werden. Oder Sie bieten dem Vogel in einem sehr kleinen Napf Wasser auf dem Boden an. Stellen Sie dagegen niemals einen großen Napf auf den Boden des Käfigs, der
kranke Vogel könnte darin ertrinken!
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Was Sie sonst noch tun können
Vor allem in den ersten Tagen nach dem Einsetzen der Erkrankung ist es wichtig, dass
ein betroffene Vogel genügend
Nahrung zu sich nimmt. Reichen Sie ihm viele unterschiedliche
Futtersorten sowie sein Lieblingsfutter. Je mehr
Frischkost
der Vogel frisst, desto besser, da sein Körper nach dem Hirnschlag
einen erhöhten Vitaminbedarf hat. Als zusätzliches Futter
eignet sich vor allem gekeimter
Weizen,
da dieses Getreide große Mengen Vitamin B enthält.
Trinkwasserzusätze,
die Vitamine enthalten, sind ebenfalls in den meisten Fällen eine
gute Ergänzung der tierärztlichen Therapie. Meist stehen Tierärzten jedoch erheblich wirksamere Präparate zur Verfügung, die den in Zoohandlungen frei verkäuflichen Mitteln weit überlegen sind. Sprechen Sie Ihren Arzt gezielt auf solche Vitaminpräparate an.
Viele Vögel, die eine ihr Gehirn betreffende Erkrankung erlitten haben, sitzen gern
an einer warmen Stelle, weil sie frieren. Es kann je nach eigentlicher Ursache der Krankheit jedoch fatal sein, den betroffenen
Tieren zu viel Wärme zuzuführen. Sie sollten niemals eigenmächtig mit einer
Infrarotlampe bestrahlt werden, dieser Behandlungsschritt ist immer mit dem Tierarzt abzuklären! Durch die Wärme weiten sich die Blutgefäße,
was vor allem im Gehirn zu einem Anstieg des Blutdrucks und somit zu weiteren
Schäden des Gewebes führen kann. Besser ist es, den Krankenkäfig an einem
warmen Ort, also beispielsweise in der Nähe eines Heizkörpers, aufzustellen.
Um die Beweglichkeit der gelähmten Gliedmaßen wiederherzustellen,
kann es sinnvoll sein, mit dem Vogel
krankengymnastische Übungen
durchzuführen. Mit der Durchführung dieser Übungen sollte allerdings nicht zu früh
begonnen werden, in der ersten Woche nach dem Einsetzen der Erkrankung braucht der betroffene Vogel
meist absolute Ruhe! Außerdem ist es sinnvoll, sich die Übungen vom Tierarzt zeigen zu lassen.
Bitte sprechen Sie generell sämtliche unterstützende Maßnahmen,
die Sie dem Vogel angedeihen lassen wollen, mit Ihrem Tierarzt ab. In
manchen Fällen sind bestimmte Dinge
schädlich für einen erkrankten Vogel. Deshalb ist es wichtig,
bei einer so heiklen Erkrankung wie einem Schlaganfall nie in Eigenregie
ohne Absprache mit dem Tierarzt zu handeln!
Das Leben nach dem Auftreten der Krankheit
Leider genesen nicht alle gefiederten Patienten wieder
vollständig. Bei vielen Tieren bleiben Hirnschäden und damit Lähmungen oder eine
Fehlsichtigkeit zurück, die den Alltag eines Ziervogels dramatisch
verändern können. Andere halten für den Rest ihres Lebens
den Kopf schief, wie es in der nebenstehenden Abbildung zu sehen
ist. Manche Vögel büßen durch
eine schlaganfall-ähnliche ihre Flugfähigkeit ein, andere bleiben auf einem
Auge blind und wieder andere haben zeitlebens ein gelähmtes Bein.
Es bleibt dem Halter sowie dem behandelnden Tierarzt überlassen zu
beurteilen, ob der betroffene Vogel aufgrund seines Handicaps
überhaupt noch Lebensqualität hat. Sollte die Entscheidung
positiv ausfallen, muss man sich als Vogelhalter unter Umständen
auf einige bauliche Veränderungen im Umfeld des Vogels einstellen.
Sofern Sie sich für die Pflege gehandicapter Vögel
interessieren, besuchen Sie bitte die entsprechende Birds-Online-Rubrik, in der Sie viele Tipps finden.
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