Tamlin, adoptiert am 23. Januar ’10, † 16. Januar ’12

Trotz seines hohen Alters war Tamlin neugierig und nahm am Schwarmleben teil.
Trotz seines hohen Alters war Tamlin neugierig und nahm am Schwarmleben teil.

Viele Wellensittiche sterben jung, andere erreichen ein sehr hohes Alter und bleiben dennoch gesund und fit. Doch es gibt auch einige Vögel, die zwar recht alt werden, dabei aber leider mit einigen typischen Altersgebrechen zu kämpfen haben. Das türkis gefärbte Wellensittichmännchen Tamlin ist einer derjenigen Vögel, die dieses Schicksal ereilte. Im Alter von mindestens elf Jahren – sein genaues Alter war nicht bekannt – gelangte er in meine Obhut. Aufgrund seines Verhaltens kam ich aber später zu dem Schluss, dass er sehr wahrscheinlich erheblich älter als elf Jahre war, als er zu mir kam. Sein Einzug in mein Vogelzimmer fand am 23. Januar 2010 statt. Zuvor hatte er etwa ein Jahr bei meiner Freundin Petra gewohnt. Anfangs hatte er sich dort sehr wohlgefühlt und die Welt war für ihn in bester Ordnung. Doch nach einer Weile ist er in ihrem Vogelschwarm von einigen Weibchen ständig angegriffen worden, weshalb das Leben für den älteren Herrn sehr anstrengend wurde. Für sie war er das „gefundene Opfer“ – alt, zurückhaltend und kein Stück weit wehrhaft. Da scheint das Ärgern besonders viel Spaß gemacht zu haben … Deshalb entschloss sich Petra dazu, ihn zu seiner eignen Sicherheit in einen ruhigeren und vor allem verträglicheren Vogelschwarm in einem behindertengerechten Umfeld zu geben. So kam es, dass Tamlin ein Mitglied des Birds-Online-Schwarms wurde.

Tamlin im Porträt.
Tamlin im Porträt.

Über seine Vorgeschichte ist nicht sehr viel bekannt. Wir wussten lediglich, dass er unter eher schlechten Haltungsbedingungen zu leiden hatte, bevor er zu Petra gekommen war. Als er bei ihr einzog, hatte er bereits verschiedene gesundheitliche Probleme, von denen einige altersbedingt waren. So hatte sich bei ihm unter anderem eine schwere Arthrose am Fuß entwickelt. Diese schmerzhafte Gelenkerkrankung hatte dazu geführt, dass der Vogel antibiotisch behandelt werden musste. Wegen der Schmerzen schonte er seinen Fuß, wodurch sich bedauerlicherweise am anderen Fuß ein Druckgeschwür bildete. Dieses wurde zwar ebenfalls behandelt, heilte jedoch lange Zeit nicht vollständig ab und bereitete ihm ebenfalls Schmerzen. Doch glücklicherweise erholte sich Tamlin trotzdem letztlich wieder ein wenig, nachdem er zu mir gezogen war. In meinem Vogelzimmer konnte er zur Ruhe kommen und sich schonen. Zumindest sein Druckgeschwür verschwand, lediglich die Arthrose blieb bestehen, denn sie war nicht heilbar. Wegen ihr konnte Tamlin nicht gut auf Stangen sitzen. Er benötigte zum Schlafen Liegebrettchen, womit er aber glücklicherweise bestens zurechtkam.

Wegen eines hängenden Flügels konnte Tamlin nicht mehr fliegen.
Wegen eines hängenden Flügels konnte Tamlin nicht mehr fliegen.

Aus ungeklärter Ursache hing zudem sein linker Flügel ein wenig herab. Tamlin konnte nicht fliegen, vermutlich weil der selbst Flügel oder das Schultergelenk geschädigt war. Möglicherweise hatte sich Tamlin einst das Gelenk ausgekugelt oder den Flügel gebrochen – mit Gewissheit konnte man dies nicht mehr sagen. Außerdem hatte der Vogel keinen normalen Federwuchs im Bereich des Schwanzes. Die langen Federn brachen entweder ab oder es bildeten sich stark verhärtete Blutkiele, die beim Abbrechen bluteten. Sie mussten deshalb aus Sicherheitsgründen gezogen werden, um unkontrollierte Blutungen zu vermeiden. Ein weiterer Grund war, dass sie Tamlin Schmerzen zufügten, wenn er auf sein „Hinterteil“ fiel. Kurzum: Tamlin hatte einige Gebrechen, die eine spezielle, behindertengerechte Unterbringung erforderten und aufgrund derer der Gesundheitszustand des Vogels täglich genau kontrolliert werden musste. All dies nahm ich jedoch gern auf mich, um ihm ein möglichst normales Leben mit Gefährten bieten zu können – denn das hatte der charmante kleine Kerl verdient.

Tamlin (rechts) war bis zu ihrem Tod der Mann an Maggies Seite.
Tamlin (rechts) war bis zu ihrem Tod der Mann an Maggies Seite.

Trotz seiner Gebrechen und körperlichen Einschränkungen wirkte das rüstige Männchen in meinem Vogelzimmer immer fröhlich und schloss gleich nach seinem Einzug erste Kontakte. Besonders freundlich begrüßt wurde er von Woodstock, in dessen Nähe er sich zeitlebens gern aufhielt. Und schon wenige Wochen nach seinem Einzug traf Amors Pfeil: Tamlin verliebte sich in Maggie und war für einige Monate ihr Gefährte, bis sie leider viel zu früh aus dem Leben schied. Seit jenem Tag im September 2010 bis zu seinem Lebensende blieb Tamlin ohne feste Partnerin. Am 16. Januar 2012 starb er plötzlich und unerwartet – sehr wahrscheinlich aufgrund von Altersschwäche. Sein freundliches Wesen werde ich nie vergessen. Gern hätte ich ihn noch viel länger bei mir beherbergt, aber im Grunde genommen sollte ich dankbar dafür sein, dass er überhaupt zu den wenigen Wellensittichen gehört hat, die ein hohes Alter erreichen. Leider ist das wegen Überzüchtung und damit verbundener negativer Gesundheitseffekte bei Wellensittichen heute keine Selbstverständlichkeit mehr.

Tamlins Farbschlag nennt sich blaues Europäisches Gelbgesicht Mutation II Normal. Die Grundfärbung des Bauches ist bei solchen Vögeln hellblau. Da das Gefieder aber nach der ersten Mauser (Jugendmauser) bei Vögeln seines Farbschlags gelb überhaucht nachwächst, ist es anschließend für den Rest des Lebens des Vogels türkis gefärbt.

Bedeutung des Namens

Tamlin war schon sehr alt, als er zu mir kam.
Tamlin war schon sehr alt, als er zu mir kam.

Bevor Tamlin bei mir einzog, hatte er einen anderen Namen, er wurde früher Kleiner genannt. Es hat bei mir einst jedoch bereits einen Wellensittich mit diesem Namen gegeben, er wird hier vorgestellt. Weil bei mir niemals zwei Vögel denselben Namen haben sollen, musste ein neuer Name her. Im Fall des betagten Wellensittichmännchens entschied ich mich für einen Namen aus einem schottischen Märchen. In dieser Erzählung ist Tamlin (oder Tam Lin) ein junger, schöner Ritter, der ins Feenreich entführt wird und der mithilfe seiner sterblichen Geliebten Janet an Halloween in die Welt der Menschen zurückgelangen kann. Zu finden ist die ganze Geschichte auf der schönen Internetseite des Märchenerzählers Kolja unter den schottischen Märchen; es trägt dort die Bezeichnung „Tam Lin“.